Drei bodenständige Wege zur Selbstberuhigung bei Krebs

von | Apr 4, 2019 | Krankheit annehmen | 6 Kommentare

Ich weiß es noch wie heute…

Ich starrte auf die weiße Wand in dem recht nüchtern eingerichteten Behandlungszimmer meines Arztes. Da war nichts, woran mein Auge sich gerne festgemacht hätte. Und als ich die Diagnose „Es ist Krebs“ vernahm, hätte ich wohl auch einen Picasso an der Wand nicht mehr wahrgenommen…

Von diesem Moment an war nichts mehr dasselbe, ich hatte das Gefühl der Teppich zieht sich unter meinen Füßen weg. Nur ich saß da auf einem Stuhl und der Boden war wohl eher Linoleum. Das Zimmer drehte sich.

Irgendwie habe ich es dann nach Hause geschafft. Wie? Daran erinnere ich mich überhaupt nicht mehr. In meinen vier Wänden habe ich mich aufs Sofa gelegt und spürte in meine Hände, die auf meiner Brust ruhten.

„Hier, hier sitzt also der Krebs. Hier tobt ein Kampf der Zellen. Unkontrollierbar.
Und morgen bist Du tot.“

Meine Gefühle fuhren mit mir Achterbahn. Mal ganz unter uns, auf der Kirmes fahre ich sehr gerne Achterbahn, nur hier war weder Kirmes, noch konnte ich aussteigen.

„Wann verliere ich wohl meine Haare? Was ausser dem Krebs zerstört die Chemo? Werde ich meiner Lieblingsinsel Mallorca demnächst von oben zuwinken?“
Vielleicht nicht ganz in dieser Reihenfolge, doch gefühlt war gerade gar nichts mehr auf meiner Reihe.

Zu dieser Zeit führte ich als Inhaberin meinen Laden Candela mit sehr schönen Dingen des Lebens. Ausgesuchte Möbel und Dekorationen, ganz passend auch das größte Sortiment an den ausgefallensten Kerzen inselweit. Eines hatte ich als selbstständige Unternehmerin auf jeden Fall über all die Jahre gelernt, wie ich mit den Ängsten im beruflichen Umfeld umgehe. Zwar enden diese nicht wie beim Krebs vielleicht dann tödlich, doch es gab auch berufliche Ängste wie Lieferschwierigkeiten, große saisonale Schwankungen, die vielleicht richtige Idee, doch eben zur falschen Zeit.

In diesen Momenten habe ich gelernt, mich selbst zu beruhigen und später als Coach und Impulsgeberin habe ich mich tiefgründiger mit der Angst beschäftigt, und vor allem damit wie ich ihr begegnen kann.


Weg 1

Sicherlich kennen Sie das Modell des Säbelzahntigers, liebe Leserinnen.
Aufgrund unserer Evolution haben wir ein Nofallüberlebensprogramm in unserem Hirn verankert, und zwar genau genommen in der Amygdala.

Sitzt vor unserer Höhle ein feuerspuckender Drache, oder eben der Säbelzahntiger, haben wir drei Programme zur Auswahl, die reflexmäßig ablaufen: Angriff, Flucht oder Schockstarre.

Meinen behandelnden Arzt wollte ich im Moment der Diagnose natürlich nicht angreifen. Vor dem Krebs weglaufen kam für mich auch nicht in Frage und totstellen konnte ich mich auch nicht. Dafür war es doch nun wirklich noch zu früh. 

Ein anderes Modell hat mir besser weitergeholfen, weil es mich stark in meine Selbstwirksamkeit gebracht hat.

Wir Menschen erleben eine bestimmte Situation, in meinem Fall war das die lebensbedrohliche Erkrankung, und dann bewerten wir diese Situation aufgrund unser bisherigen gespeicherten Lebenserfahrungen.

Erst diese persönliche Bewertung löst Gefühle wie hier zum Beispiel Angst und/oder Ohnmachtsgefühle aus. Wenn ich aus diesem Kreislauf aussteigen will, muss ich lernen, mich selbst zu beruhigen. Hier ganz konkret, indem ich lerne meinen Krebs eben anders anzuschauen.

Auch gerade dann, wenn Sie – wie ich momentan – vielleicht alleine leben. Ich kann mir geradezu bildlich vorstellen, wie Sie jetzt möglicherweise mit den Augen rollen.

„Ich soll etwas Neues lernen, wenn, oder obwohl, ich krank bin?“

Rückblickend kann ich Ihnen heute verraten, dass genau das Ihre Chance ist.

Meine Situation = Ich habe die Diagnose Brustkrebs erhalten.

Meine Bewertung = Wie bin ich bisher mit Erkrankungen oder Krisen umgegangen.
Welche Erfahrungen hatte ich bisher.

Meine Gefühle = Fällt meine Bewertung negativ aus, löst das körperliche und seelische Gefühle wie zum Beispiel Angst aus. Eine Enge und Beklemmung stellt sich ein.

Ich selbst habe den Krebs als meinen Lehrmeister anerkannt, der mir etwas sagen oder zeigen wollte. Diese etwas andere Betrachtungsweise hat zu einer viel positiveren „Bewertung“ meiner Erkrankung geführt und hat die Angst schon mal etwas kleiner werden lassen.

Weg 2

Auch der nächste Weg ist keine wirkliche Schnippschnapp-Methode und dauert wesentlich länger als die bekannten 21 Tage, die man gemeinhin braucht, um etwas Neues zu erlernen.

Da ich mich als Geschäftsfrau schon immer mit den schönen Dingen beschäftigt habe und als junge Frau auch Tagebuch geführt habe, habe ich mich bewusst entschieden, meine Aufmerksamkeit trotz oder gerade wegen meiner Erkrankung auf das Schöne zu lenken.

Wo leuchte ich mit meiner Aufmerksamkeits-Taschenlampe hin? Was strahle ich damit an? Wo ist mein Fokus?

Ich habe mir ein wunderschönes goldfarbenes Tagebuch gekauft, das immer griffbereit neben meinem Bett oder in meiner Handtasche lag. Mindestens drei Dinge wollte ich darin jeden Tag eintragen.

- Die freundliche Krankenschwester, die mich mit den Augen getröstet hat.
- Die Freundin, die spontan mit meinem Lieblingsessen vorbei gekommen ist.
- Der Anruf eines langjährigen Freundes, mit seiner gefühlt echten Anteilnahme.

An den Tagen, wo die Gefahr bestand, dass die Seiten in meinem Tagebuch leer bleiben könnten, habe ich mich auf den Ort, an dem ich lebe, konzentriert.
Seit über dreißig Jahren lebe ich auf Mallorca und die Liebe zur Insel ist ungebrochen.
Das Licht ist so unbeschreiblich, der Reiz der wechselnden Jahreszeiten, die Ruhe nach dem sommerlichen Ansturm.
Seit meiner Krebserkrankung habe ich die unterschiedlichsten Licht-Sinfonien in meinem Tagebuch beschrieben, um den Dankbarkeitsmuskel ordentlich zu trainieren.

Später als Beraterin und Begleiterin ist mir dieser Zusammenhang durch meine Klienten widergespiegelt worden: „Ich kann das Gefühl der Angst und der Dankbarkeit nie gleichzeitig empfinden!“

Für mich ein sehr bodenständiger Weg, sich selbst zu beruhigen.

Weg 3: Nimm dich selbst mal in den Arm

Diese Methode gehört als Alleinlebende zu meinen Favoriten, weil ich sie jederzeit anwenden kann, wenn ich mich selbst beruhigen will oder muss, um mit meinen Ängsten umzugehen.

Meine Angst ist zum Beispiel eher nachts in meinem Schlafzimmer aufgetaucht und wollte sich wie ein übermächtiges schwarzes Wesen auf meine Bettdecke setzen.
„Hach, du kannst weg bleiben, ich trickse dich jetzt aus.“
Selbst in solchen Momenten war immer noch Platz für einen gewissen Humor.

Nach meiner Krebsdiagnose fing ich an, mich jeden Abend im Bett in den Arm zu nehmen. Forscher habe herausgefunden, dass, wenn wir uns mindestens 20 Sekunden in den Arm nehmen, das Kuschelhormon Oxytocin gebildet wird.

Vorzugsweise natürlich mit einem lieben Menschen, doch es funktioniert auch allein.

Dieses Hormon wird gebildet, wenn eine Mutter ihr Kind stillt, wir uns küssen oder einen Hund streicheln. Es versetzt uns nach und nach in eine wohlige Atmosphäre.

Ganz unter uns: Am Anfang ist meine Angst so groß gewesen, das ich mich sicherlich 60 Minuten im Arm gehalten habe, um dieses schwarze Wesen zu vertreiben.
Doch auch bei jeder Wartezeit vor dem Behandlungszimmer habe ich diese simple Methode angewendet. 
„Nimm’ mich bitte zuerst in den Arm“, habe ich bei der Begrüßung meiner besten Freundin gesagt.

Es wäre es doch wirklich sehr heilsam, wenn Arzt und Patient sich zur Begrüßung 20 Sekunden in den Arm nehmen, oder?

Wenn man mit dieser Methode anfängt, kommt man sich natürlich ehrlich gesagt ein wenig blöd vor, aber das vergeht sehr schnell, weil der Nutzen fühlbar überzeugt.

Mit anderen Worten: Oxytocin ist ein wunderbares Therapeutikum bei Angstgefühlen; wenn mich andere oder ich mich selbst umarme, fühle ich mich viel beruhigter.

Mein Fazit:

Mir persönlich haben diese drei Methoden geholfen, meine Angst bei Krebs leichter zu bewältigen; indem ich zunächst meinen Geist und Körper beruhige.

Auch habe ich mich als Patientin nicht so hilflos gefühlt, weil ich mir selbst etwas Gutes tun konnte. Und das hat mir im weiteren ganz neue Wege eröffnet.

Wenn Sie bereit sind, gerade bei einer/dieser Erkrankung gut für sich sorgen, kann ich Ihnen diese Übungen besonders ans Herz legen.